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von Lukas Racke

Energy Sharing

Energy Sharing beschreibt die gemeinschaftliche Stromerzeugung und -nutzung durch mehrere Akteure in einem räumlichen Zusammenhang, wobei das öffentliche Stromnetz in den Prozess einbezogen wird. Eine Analyse im Auftrag des Umweltbundesamts (Stand: September 2023)[1] zeigt, dass Energy Sharing darauf abzielt, erneuerbare Energien stärker auszubauen, eine breitere Teilhabe zu ermöglichen und den Netzausbau potenziell zu reduzieren.


Energy Sharing Communities

Eine Energiegemeinschaft (EG) – auch Energy-Sharing Community (ESC) – ist eine Vereinigung mehrerer Beteiligter, die gemeinsam Energie produzieren, speichern, nutzen oder verkaufen. Diese Zusammenarbeit erfolgt über Grundstücksgrenzen hinweg – die Energie kann also flexibel innerhalb einer bestimmten Region oder sogar darüber hinaus verteilt werden. Energiegemeinschaften bestehen aus mindestens zwei Mitgliedern oder Gesellschaftern, die eine rechtliche Struktur wie einen Verein, eine Genossenschaft oder eine Personen- bzw. Kapitalgesellschaft gründen.

Eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG) funktioniert nach demselben Prinzip, nutz jedoch nur erneuerbare Quellen zur Erzeugung der eigenen Energie.

Energiegemeinschaften können aus verschiedenen Mitgliedern wie Privatpersonen, kleinen und mittleren Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen bestehen, welche Strom gemeinschaftlich mithilfe eigener Anlagen erzeugen, nutzen oder speichern, wobei das öffentliche Netz als Infrastruktur dient. Der erzeugte Strom kann entweder direkt von den Eigentümern verbraucht oder innerhalb der Gemeinschaft weitergegeben werden. Auch eine Vermarktung von überschüssigem Strom am Markt ist möglich. Eine vollständige Stromversorgung durch eigene Anlagen ist dabei weder erforderlich noch angestrebt.

Um den zeitnahen Abgleich von Erzeugung, Verbrauch und Speicherung sicherzustellen, kommen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien zum Einsatz. Für die Organisation einer EG gibt es keine feste rechtliche oder vertragliche Vorgabe, sodass unterschiedliche Modelle flexibel umgesetzt werden können.


Verschiedene Modelle des Energy-Sharing

Modell 1: Vollversorgungsmodell mit einem zentralen Energieversorger

Dieses Modell basiert auf einem zentralen Energieversorger, der alle Mitglieder der ESC beliefert. Mitglieder, die selbst Strom erzeugen, geben ihren überschüssigen Strom an den zentralen Anbieter ab, der dann alle Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft versorgt. Die Abrechnung erfolgt zentral durch den Versorger, der auch den Reststrom bereitstellt, falls die Erzeugung nicht ausreicht. Dieses Modell ist bereits rechtlich umsetzbar und bietet eine klare, zentrale Steuerung, was die Organisation vereinfacht.

Modell 2: Mehrlieferantenmodell mit virtuellen Peer-to-Peer-Lieferungen

Hier wählen die Mitglieder eigene Lieferanten, die ihren Strom an die jeweiligen Verbraucher liefern. Die Kommunikation und Datenübertragung erfolgen über eine Sharing-Plattform, wodurch eine flexible und dezentrale Struktur ermöglicht wird. Allerdings ist die direkte Peer-to-Peer-Lieferung im rechtlichen Rahmen derzeit noch sehr eingeschränkt, sodass die Energiegemeinschaft meist als Vermittler oder Händler auftritt. Dieses Modell bietet mehr Möglichkeiten zur Individualisierung, ist aber komplexer in der Umsetzung.

Modell 3: Direktlieferungsmodell / Lieferbeziehungen zw. Mitgliedern

Dieses Modell setzt auf direkte Stromlieferungen zwischen den Mitgliedern, ohne einen zentralen Versorger. Über eine digitale Plattform können Angebot und Nachfrage automatisiert abgewickelt werden. Es handelt sich hierbei um eine sehr dezentrale Lösung, die im europäischen Kontext bereits in Pilotprojekten getestet wird. In Deutschland ist diese Form der direkten Peer-to-Peer-Lieferung derzeit rechtlich noch nicht möglich.


Außerdem lässt sich zwischen dem Regionen- und Netzebenen-Modell unterscheiden.

Bei Regionen-Modellen soll es Personen innerhalb eines 50-Kilometer-Radius um die geplanten oder bereits bestehenden Anlagenstandorte ermöglichen, eine lokal begrenzte EE-Gemeinschaft zu bilden.

Das Netzebenen-Modell, bei dem sich Personen zusammenschließen, die über eine gemeinsame Stromnetzebene – in der Regel die Niederspannungsebene – verbunden sind, kommt beispielsweise auch in Österreich und Frankreich für EE-Gemeinschaften zur Anwendung.


Rechtliche Aspekte und regulatorische Entwicklungen

Die Bundesregierung hat im November 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts[2] vorgestellt, der unter anderem das Konzept des Energy Sharings fördert. Ziel dieser Reform ist es, Verbraucher stärker in den Energiemarkt einzubinden, indem sie gemeinsam von erneuerbaren Energien profitieren können. Dies ermöglicht Gruppen von Nutzern, selbst erzeugten Strom, etwa aus gemeinschaftlich genutzten Photovoltaikanlagen, untereinander zu teilen und effizienter zu nutzen.

Um rechtliche und technische Hürden abzubauen, sieht der Entwurf eine Digitalisierung und Vereinfachung der Netzanschlussverfahren vor. Ergänzend werden unverbindliche Netzanschlussauskünfte, Kapazitätsreservierungen und flexible Netzanschlussvereinbarungen eingeführt, um den Anschluss erneuerbarer Energiequellen zu beschleunigen. Diese Maßnahmen sollen die Transparenz erhöhen und die Nutzung bestehender Netzkapazitäten optimieren.

Nach der aktuellen Rechtslage gelten Personen und Organisationen, die in Deutschland Strom produzieren und unter Nutzung des öffentlichen Netzes andere Endkundinnen und -kunden damit beliefern wollen, als „Energieversorger“ und müssen dementsprechende Lieferantenpflichten erfüllen.

Auf europäischer Ebene hat die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie[3] durch die Einführung des „Active Customer“-Konzepts die Lieferantenpflichten vereinfacht. Welche tatsächlichen Anpassungen in Deutschland notwendig wären, um den Einstieg zu erleichtern, erläutert der am 07.08.2024 veröffentlichte dena-Bericht „Energy Sharing: Vom Konzept zur energiewirtschaftlichen Umsetzung“[4], indem verschiedene Modelle vorgestellt werden, die die Verteilung energiewirtschaftlicher Rollen und den Datenaustausch beschreiben.

Trotz europäischer Vorgaben ist die regulatorische Umsetzung in Deutschland bislang schleppend vorangekommen. Um diesen Prozess zu beschleunigen, hat das Bündnis Bürgerenergie (BBEn) zusammen mit dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) konkrete Vorschläge erarbeitet, die sich auf ein Teilversorgungsmodell konzentrieren. Dieses Modell würde es Anlagenbetreibern erlauben, den erzeugten Strom gemeinschaftlich zu nutzen oder direkt zu verkaufen, ohne als Stromlieferant mit den damit verbundenen Lieferantenpflichten auftreten zu müssen. Dadurch würde die wohl größte Hürde für das Energy Sharing überwunden, allerdings entstünden neue Herausforderungen. Insbesondere die Koordination der Abrechnung der Strommengen zwischen den verschiedenen Beteiligten könnte zu Problemen führen.


Potential von Energy Sharing in Deutschland

Eine Potenzialanalyse  des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)[5] aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass theoretisch 90 Prozent der Haushalte in Deutschland von vergünstigtem Strom durch Energy Sharing profitieren könnten. Diese Analyse belegt, dass verbrauchernahe Energieerzeugung Energiekosten spart, die Stromnetze entlastet und eine selbstbestimmte Energieversorgung mit mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht.



Weiterführende Materialien

-      Leitfaden zur Umsetzung von Energy Sharing Communities in Deutschland, dena, Stand 04/2025.

-      Österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften.

-      Praxisbericht: WUNergy eG: Aufbau einer Energy Sharing Community; dena; Stand 02/2025.

-      Bündnis Bürgerenergie e.V.

-      EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II)



​Fußnoten:

Weitere Quellen:

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/20241115-enwg-novelle.html

https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/20241115-entwurf-enwg-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=6

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/06112023_46_2023_cc_energy_sharing.pdf

https://www.dena.de/newsroom/meldungen/2024/die-nachbarn-als-stromlieferanten/

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L0944

https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2024/FEL_Energy-Sharing_Bericht.pdf

https://www.erneuerbareenergien.de/energiemarkt/energierecht/buergerenergiegemeinschaften-wollen-ihren-strom-einfacher-selbst-nutzen

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L0944

https://www.buendnis-buergerenergie.de/fileadmin/user_upload/20240523_Positionspapier_Energy_Sharing_Art.15a_EMD-BBEn_DGRV.pdf

https://www.ioew.de/presse/pressemitteilungen/studie-ueber-90-prozent-der-haushalte-in-deutschland-koennten-durch-energy-sharing-teil-der-energiewende-werden-und-davon-profitieren